Jazz ist wohl die entspannteste Art, sich künstlerisch auszudrücken. Und die globalste. Das zumindest ist der Eindruck, den „Music for Black Pigeons“ hervorruft und hervorrufen will: Die Regisseure Andreas Koefoed und Jørgen Leth haben über Jahrzehnte verschiedene Jazz-Sessions mitfilmen dürfen, die der dänische Gitarrist Jakob Bro organisierte, mit einigen der weltweiten Größen des Jazz. Dabei geht es ihnen nicht um die Musiker direkt, sondern darum, was sie im Zusammenspiel miteinander hervorbringen.
„Music for black pigeons“ nennt der Saxophonist Lee Konitz dieses merkwürdige Miteinander des musikalischen Spiels, bei dem das Finden, das Erfinden und das Aufeinandereingehen den Jazz erzeugt, mit seinen Emotionen, seiner Lässigkeit, seiner Leidenschaft und seinem weltweiten Appeal. Konitz hatte sich eine Schallplatte aufgelegt, eine schwarze Taube saß am Fenster, sie hörte zu. Der Filmtitel ist poetisch gewählt, zugleich reich an Echos, es geht um die schrägen Vögel, die Jazz machen und Jazz hören, es geht um die schwarzen Wurzeln des Jazz (der in diesem Film fast ausschließlich von Weißen gespielt wird), es geht um die merkwürdige Kombination einer Taube und der Farbe schwarz.
2008 haben sich Koefoed und Leth erstmals getroffen, in New York, eher zufällig, sie filmten Bro bei der Aufnahme seiner Platte Balladeering. Von nun an begleiteten sie Bro immer wieder, loteten über die Jahre sein Netzwerk aus, trafen ihn und seine verschiedenen Mitmusiker bei Aufnahmen, bei improvisierten Jams. Unter anderem Gitarrist Bill Frisell ist dabei, die Percussionistin Midori Takada, der Bassist Thomas Morgan, der Schlagzeuger Andrew Cyrille auch der Produzent Manfred Eicher. Die Musiker wissen, wann und wo, sie wissen mit wem – sie wissen nicht, was. Sie treffen sich, sie spielen, mit ihren Instrumenten, miteinander. Und selten hat man diesen lockeren Entstehungsprozess von Jazz so detailliert und gleichzeitig so locker in einem Film wiedergegeben gesehen.
Zur Produktion des Jazz gehört auch die Reflexion. Die Musiker hören, was sie gemacht haben: Oh! das war super – und ah!, in der einen Aufnahme, diese besondere Stelle… Und sie stellen sich in stilisierten Talking-Head-Situationen der Kamera und den Fragen der Filmemacher. Fragen, die an den Kern des Jazz gehen und die auch mal Nachdenken erfordern. Ganz offensichtlich haben wir es hier zwar mit weltweit geachteten Koryphäen zu tun, aber nicht mit solchen Künstlern, die durch die Medienmaschinerie gedreht wurden, die sich auf Interviewfragen schon verschiedene Antwortbausteine zurechtgelegt haben. Sondern um solche, die tatsächlich in sich selbst forschen, was ihre Kunst ausmacht und was diese Kunst mit ihnen macht.
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Jakob Bro versammelt Musiker um sich, von New York über Island bis Lugano gehen die Studio-Sessions, in denen quasi live Jazz eingespielt wird. Er sammelt die Musiker ein, bietet ihnen die Gelegenheit und die Atmosphäre, sich auszudrücken. Das ist das Schöne an diesem Film, dass wir Teil werden von diesem Netzwerk, dass wir eingeladen werden zu den gelegentlichen Treffen. Und dass wir über diese Musik auch die Musiker kennenlernen, ein bisschen zumindest. Einige von ihnen verstarben im Laufe der Arbeiten an diesem Film, der Schlagzeuger Paul Motian im Jahr 2011, Schlagzeuger Jon Christensen sowie der erwähnte Lee Konitz 2020. Der Film ist auch ein Vermächtnis von ihnen, und er zeigt zugleich, wie der Jazz weiterlebt, von Generation zu Generation. Wie ja auch die Filmemacher verschiedenen Generationen angehören und hier gemeinsam der Leidenschaft Jazz filmisch Gehör verschaffen.
Cast und Crew
Regie: Jørgen Leth, Andreas Koefoed
Drehbuch: Jørgen Leth, Andreas Koefoed
Kamera: Dan Holmberg, Adam Jandrup, Andreas Koefoed
Musik: Jakob Bro
Schnitt: Adam Nielsen
Eintritt 7,50 €
Tickets nur über LichtSpiel e.V.